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Georg Peter Luck – Die Architektur der Landschaft

„Ich bräuchte wohl ganze Bibliotheken um in der Beschreibung der menschlichen Psyche das zu sagen, was sich bei Dir in einem einzigen Bild manifestiert!“ Dies die Worte, die der berühmte Begründer der analytischen Psychologie, Carl Gustav Jung angesichts eines Frühwerks in St. Antönien an den noch jungen Georg Peter Luck richtet.Das Lob des namhaften Psychologen lässt das Herz des jungen Künstlers höher schlagen, zu erstaunen vermag es aber kaum. Denn in der Szenerie, die Jung vorfindet, manifestiert sich tatsächlich tiefenpsychologisches Gedankengut.

 

Eine winterliche, gebirgige Landschaft, die sich hinter einem See erhebt, Licht, Schatten und erdige Farbtonalitäten bestimmen das Bild. Sind die Berge weiss verschneit, teils im letzten Sonnenlicht leuchtend, teils schon verschattet, bricht auf dem See hie und da das Eis auf, während sich im unteren Bildbereich am Seeufer bereits die frische braune Erde aus dem Schnee schält. Die Bildkomposition selbst steht ganz im Geiste der Romantik des 19. Jahrhunderts. In klassischer Staffelung eröffnet sich dem Betrachter die Szenerie einer Landschaft, in der sich das romantische Gedankengut in seiner Reinform manifestiert: Unmittelbar auf die erdig - irdische Komponente folgt die weit scheinende, von Wasserspiegeln durchsetzte Eisebene des Sees und im oberen Bildteil eröffnet die durchbrochene Bergkulisse den Blick in die Unendlichkeit des Himmels darüber und dahinter. Was in der Romantik auf die Sehnsucht nach dem Fernen und Göttlichen in der beständigen Reflexion und das stete Zurückgeworfenwerden auf das eigene Selbst verweist, transportiert sich in der Sprache der analytischen Psychologie in die Manifestation des Bewusstseins und des Unterbewusstseins in der menschlichen Psyche. Die reflektierenden Wasserspiegel im durchbrochenen Eis werden zu Zugängen zum Unterbewusstsein, das sich ebenso in Form von Erde an die Oberfläche zu schälen scheint. Selbst all das Sichtbare und Überhöhte, der Berg und der Himmel sind nur teilweise von Sonnenlicht beschienen. Auch hier bleiben wir zumindest teilweise im Schatten des Traumhaften und Unbewussten gefangen.

 

Dieser kleine Exkurs ins Frühwerk Georg Peter Lucks und die damit verbundene Schilderung der spontanen Reaktion C. G. Jungs zeigt uns, dass Lucks Malerei bereits in seinen jungen Jahren eine konsequente akademische und analytische Basis zu Grunde lag. Ist in seinen frühen Schaffensjahren noch vertieft die Auseinandersetzung mit Bildsprache der Romantik spürbar, folgt bald darauf eine intensive Auseinandersetzung mit dem in der Person von Ernst Ludwig Kirchner in Davos prominent vertretenen Expressionismus. Der freie und intensive Umgang mit Farbe, den Luck in dieser Auseinandersetzung kennenlernt, wird stets Bestandteil seiner späteren Bildsprache bleiben. Im Gegensatz zu den Expressionisten jedoch bleibt Luck der klassischen Kompositionsweise treu. Seine Landschaftsbilder sind in der Folge akribisch und nahezu architektonisch durchkomponiert. Obwohl er die Last einer früheren Kinderlähmung mit sich trägt, durchwandert er beinahe täglich die so sehr geliebte Landschaft des Prättigaus und ganz Graubündens, um zu skizzieren. Zu Hause im Atelier fertigt Luck vorderhand geometrische Landschaftsanalysen und perspektivische Studien an, aus denen er den für ihn so typischen Umgang mit Flächen und Tiefen entwickelt. Die Basis hierfür bildet stets die Suche nach den elliptischen Schemata innerhalb der vorgefundenen Landschaft, die sich über Tangenten in der Tiefenstaffelung motivisch und kompositorisch miteinander verbinden lassen.

 

Hiermit erreicht Luck die aussergewöhnliche Möglichkeit, grössere, in natura nicht verbundene und in der Tiefenstaffelung hintereinander liegende Flächen zu vereinen. Dies, ohne dabei ein Tiefenwirkung einzubüssen: Vielmehr lässt Georg Peter Luck durch ungewöhnliche Verbindung und Auslassung von Bildelementen das Auge die Zweidimensionalität bildlicher Darstellung quasi überspringen. Mit faszinierendem Resultat: Wo auch immer der Betrachter gegenüber dem Bild steht, er findet sich inmitten der Landschaft wieder. Bricht der Bündner Maler zum einen in der Kompositionsweise mit der Tradition und dem Zeitgeist, tut er es zum anderen in Farbe und Duktus.Einmal in der Skizze angelegt, werden die Aquarelle in einem enormen Tempo umgesetzt. Bezeichnend und einzigartig sind hierin eine in der Aquarellmalerei kaum je dagewesene Intensität in Duktus und Farbigkeit. Schnell, vehement, mit energiegeladenem malerischen Gestus und dennoch absolut präzise setzt Luck das längst Gedachte ins Werk. Inneres, assoziatives und intuitives Bild, Farbexplosion sowie die Stringenz der kompositorischen Vorarbeit fallen in Eines und lassen Landschaften von ungeheurer Tiefe und Intensität vor dem Betrachter entstehen.

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